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Thema: Spaniens Demokratie

  1. #1
    Avatar von tffriends
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    Spaniens Demokratie

    Künftig kann man für Teilnahmen an regierungskritischen Demonstrationen direkt belangt werden. Es braucht keinen Richter mehr, sondern es entscheidet allein die Polizei! Dabei drohen Geldstrafen von 100 bis 600.000 Euro sowie bis zu 1 Jahr Haft. Sogar bereits für geteilte Protest-Infos via Facebook/Twitter und Co. soll es künftig Strafen hageln, ebenso für Aufnahmen der Polizeieinsätze gegen Demonstranten.

    Das sind nur ein paar erschreckende Eckpunkte eines neuen Gesetzes. Das klingt wie das Anfang diesen Monats in Kraft getretene "Gesetz zur Bürgersicherheit" aus dem Kreml. Leider ist es ebenso traurige Realität in Spanien.

  2. Nach oben    #2
    Avatar von Rainer
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    Der Vergleich mit Russland erscheint mir überzogen aber ich muss zugeben, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass das ein Gesetz wird.


  3. Nach oben    #3
    Avatar von tffriends
    38 Jahre alt
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    Die Angst der Mächtigen

    Was die öffentliche Ordnung "stört" oder möglicherweise durch Demonstrationsrechte gestattet wäre, entschied bisweilen die Justiz. Wenn nun aber kein Richter mehr darüber entscheidet, ist die Demonstrationsfreiheit de facto ausgehebelt. Die Proteste gegen korrupte Politiker und zu harte Sparpolitik, wie wir sie vor den letzten Wahlen in Madrid erlebt haben, wären ab sofort nicht mehr möglich oder die Initiatoren und Teilnehmer würden mit harten Strafen überzogen. Das Motiv ist klar: Niemand kann mehr ungestraft etwas gegen das korrupte Machtzentrum Spaniens "kundtun". Das sind undemokratische Zustände, wie man sie zuletzt aus Ungarn, Russland und China vernahm.

  4. Nach oben    #4
    Avatar von MeinerEiner
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    So wie es hier beschrieben wird, verstößt das gegen EU Recht. Mal sehen wie lange die das aufrecht erhalten können.

  5. Nach oben    #5
    Avatar von tffriends
    38 Jahre alt
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    Ich fürchte, das geht die EU nichts an, sondern ist Spanien selbst überlassen. Die Proteste gegen den Gesetzentwurf fanden nur nationales Echo und oberste Richter in Spanien sollen wegen ihrer Einwände wohl schon abgesägt worden sein. Das Gesetz ist nun in Kraft. Früher medialer Druck aus dem Ausland, einhergehend mit verbaler Kritik der EU-Mächtigen hätte Madrid eventuell noch zum Einlenken bewegen können, doch das blieb aus. Wahrscheinlich, weil es Merkel und Co. ganz gelegen kommt, wenn damit auch Proteste gegen Euro- und Sparpolitik unterbunden werden.

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  7. Nach oben    #6
    Avatar von MeinerEiner
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    Das neue Gesetz schafft eine wunderbare Möglichkeit, unangemeldete Demonstrationen zu verbieten, indem aus der Straftat eine Ordnungswidrigkeit geworden ist. Man muss jedoch auch weiter sehen. Ich denke, dass es keine wirklichen Strafen geben wird. Denn gegen einen Bußgeldbescheid kann ich Klage einreichen. Ein Richter wird dann wohl so entscheiden, wie es bisher auch fast immer der Fall war, nämlich die Meinungsfreiheit höher bewerten und den Bußgeldbescheid aufheben. Ich denke, dass die Regierung unter den Demonstrationswilligen Angst schüren möchte um weitere große Demonstrationen zu verhindern. Ein wirksames Mittel wird das jedoch nicht sein. Übrigens, auch in Deutschland sind unangemeldete Demonstrationen eine Ordnungswidrigkeit. Wird jedoch selten verfolgt. Ich denke das wird in Spanien auch so sein, wenn die Demos friedlich sind.

    Ich muss auch sagen, dass ich das Fotografieren von Polizisten, die nicht gerade selbst eine Straftat begehen, auch nicht in Ordnung finde. Die machen schließlich auch nur Ihren Job. Wenn allerdings Polizisten über die strenge schlagen und selbst Straftaten im Amt begehen, ist das Fotografieren "Beweissicherung" und darf gar nicht verboten werden.

    Die Mühlen der EU mahlen langsam. Das sieht man ja an Ungarn und dem Mediengesetz. Das ist zwar inzwischen etwas abgemildert. Ich denke, für politisch wirklich aktive Menschen wäre ein Protest bei der EU Kommission ratsam. Die müssen das zumindest prüfen und eine Auskunft geben. Ob das hilft ist jedoch eine andere Frage.

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  9. Nach oben    #7
    Avatar von tffriends
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    Damit muss man sich erst einmal befasst haben, um es zu verstehen. In Spanien wie in Deutschland besteht meines Wissens das grundsätzliche Recht sich zu friedlichen Protesten zu versammeln. Eine ausdrückliche Genehmigung braucht es hierzu nicht.

    In Deutschland muss eine solche Versammlung jedoch mindestens zwei Tage vorher bei der zuständigen Behörde angemeldet werden, was nur in ganz besonderen Fällen (keinesfalls willkürlich) untersagt (verboten) werden kann. Eine Teilnahme unter Beachtung der Auflagen ist rechtlich völlig gefahrlos. Versammelt man sich hingegen unangemeldet, weil die Versammlung untersagt wurde oder die Initiatoren aus politischen Gründen fürchten, keine Genehmigung zu erhalten, macht man sich strafbar. Hierüber urteilen letztlich Richter, hinterher! Solche spontanen Demonstrationen sind also grundsätzlich möglich, da die bloße Verabredung sowie Teilnahme an einer Demonstration (andere Straftaten außen vorgelassen) dank des Rechts auf freie Meinungsäußerung (GG!) nicht verurteilt wird. Man bleibt straffrei und die Meinungsfreiheit gewahrt.

    In Spanien wird die Urteilbarkeit durch Richter nun umgangen, in dem man mit Demonstrationen in Verbindung stehende Straftaten nunmehr "nur" als Ordnungswidrigkeit einstuft. Neue Versammlungen zu organisieren, kann den Initiatoren seitens der Behörden nicht mehr nur erschwert, sondern jede Zuwiderhandlung direkt bestraft werden. Wenn es die Behörden unterbinden wollen (oder durch politischen Druck sollen), kann künftig also jeder politisch Interessierte, der auch nur einen weiteren Link dazu via Facebook teilt, twittert, usw. direkt zur Kasse gebeten werden, wohlbemerkt ohne Verurteilung! Nachdem die Behörden also bereits befugt sind, zu entscheiden, welcher Protest zugelassen wird, können Sie künftig nichtgenehmigte Proteste auch im Alleingang bestrafen. Ohne Richter, ohne Urteile! Wenn die Behörden (u. a. die Polizei) Lust hat (oder politische Anweisung erhalten), haben sie dank des neuen Gesetz ein einschüchterndes Instrument, dass Meinungsfreiheit unterbindet.

    Im Kern besteht der Skandal also aus der Degradierung der Gerichte, mit allen theoretisch möglichen und wohl auch beabsichtigten Konsequenzen. Zu mehr Bürgersicherheit, wie von der Regierung dreist behauptet wird, sollte das Gesetz mit Sicherheit nicht führen, denn dagegen durften die Behörden (sprich Polizei) auch vorher vorgehen.

  10. Nach oben    #8
    Avatar von Rainer
    57 Jahre alt
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    Schön dargelegt.
    Das Motiv ist doch glasklar: Gegen genehmigungsfähige, friedliche, jedoch politisch unliebsame Proteste hatte die Regierung bisher keine Handhabe.

    Wenn russische Behörden aus politischem Gehorsam jegliche regierungskritischen Proteste unterbinden, gilt das als undemokratisch. Die spanischen Behörden können aber genau das künftig auch. Ob sie davon Gebrauch machen, ob auf Anweisung oder aus politischem Gehorsam, spielt keine Rolle.

  11. Nach oben    #9

    16 Beiträge seit 04/2015

    Demonstrationsgesetz

    Das böse am neuen Demonstrationsgesetz ist doch, dass sogar veröffentlichte kritische Texte über das aktuelle Geschehen hoch bestraft werden können. Man könnte dies auch als Maulkorberlass für die Medien bezeichnen. Und die stellten doch bislang die vierte Gewalt dar. Damit werden die Grenzen innerhalb der Demokratie verschoben.

  12. Nach oben    #10
    Avatar von MeinerEiner
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    Im Endeffekt hat das spanische Volk es aber selbst in der Hand. Man kann ja auch eine andere Partei wählen. politisch interessierte Menschen lassen sich sowieso nicht von den Medien beeinflussen. Leider ist es überall so, dass die meisten Menschen immer das wählen, was sie immer gewählt haben. Eine wirkliche alternative wird selten gewählt. Auf Dauer kann aber ein Staat seine Bürger nicht so maßregeln.

    Und dass mit den Medien. Naja, in Ungarn haben die Medien einen totalen Maulkorb und da hat sich in Brüssel auch keiner wirklich aufgeregt.

    Andersherum, wer etwas älter ist kennt in Spanien noch ganz andere Zeiten. Da ist dass, was jetzt da abgeht harmlos. Vielleicht wird sich deswegen nicht so wirklich gewehrt.

    Warten wir die nächste Wahl ab. Dann werden wir sehen ob sich das Volk das gefallen lässt. Meine Befürchtung ist aber, dass es keine Änderung geben wird.

  13. Nach oben    #11

    16 Beiträge seit 04/2015
    Zeit Links-Grün zu wählen. Die Bewegung PODEMOS setzt sich, so viel wie mir bekannt ist, aus allen Bevölkerungsschichten, parteiübergreifend zusammen. Hier auf der Insel nennt sich die Bewegung "Sí se puede" und hat seine Wurzeln bei den Grünen und der Linken.

    "Die Zeit der Wende ist gekommen, das ist Demokratie", sagte Parteiführer Pablo Iglesias auf der überfüllten Puerta del Sol. Unter dem Jubel seiner Anhänger warf der 36-jährige Politikprofessor der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy vor, mit der Sparpolitik Elend zu schaffen. Die Teilnehmer skandierten "Ja, es ist möglich" und hielten Plakate mit Slogans wie "Ticktack, Ticktack, die Stunde der Veränderung ist da".

    https://www.zeit.de/politik/ausland/...-madrid-syriza

    In diesem Zusammenhang darf ich an das Wahlrecht der Residenten erinnern. Zumindest bei den Gemeinderatswahlen darf man seine Stimme abgeben.

    Nutzt eure Stimme!

  14. Nach oben    #12
    Avatar von Rainer
    57 Jahre alt
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    In Spanien haben am Wochenende Tausende Menschen gegen das neue Gesetz protestiert, ohne selbst anwesend zu sein – es handelte sich um einen geschickt inszenierten holografischen Protest.

    https://www.youtube.com/watch?v=knHf_QphXyY

    Die spanische Nachrichtensendung "Telediario" von TVE ist so etwas wie die deutsche "Tagesschau" des ARD. Journalisten des öffentlich rechtlichen Senders TVE haben nun beim EU-Parlament in Brüssel eine Beschwerde gegen ihren Arbeitgeber eingelegt. Sie legten ein siebenseitiges Dokument vor, das die Fälle von Manipulation der Berichterstattung durch politische Einflussnahme auflistet. TVE wird darin als „Propagandainstrument im Dienst der Regierung“ bezeichnet.

    Ein Urteil des Obersten Gerichtshof in Madrid bestätigt die Beobachtung, dass Spanien immer repressiver gegen Protestierende und Streikende vorgeht.

    https://www.heise.de/tp/news/Vier-Ja...n-2718562.html

  15. Nach oben    #13
    Avatar von tffriends
    38 Jahre alt
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    Wahl 2023

    Gerade die Wahlergebnisse geprüft. PP und VOX haben keine Mehrheit erzielt aber was heißt das nun für die Regierungsbildung?

  16. Nach oben    #14

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    Wahrscheinlich müssen sie genauso wie Sanchez eine "Frankenstein-Regierung" zusammenbasteln.


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